Was ist Inflation und wer profitiert?

Inflation ist wieder in aller Munde und so ist der größte Mythos zum Thema Inflation, dass Inflation ein rein monetäres Phänomen und die quasi zwangsläufige Folge einer gestiegenen Geldmenge sei. Dies ist eine unzulässige Vereinfachung, welche zu problematischen Politikforderungen führt.

Tatsächlich ist Inflation nach postkeynesianischer Lehrmeinung als Machtkampf um Einkommen zu verstehen, welcher nicht auf der Lohn- sondern auf der Preisebene ausgetragen wird. Die Anbieter:innen einer Leistung (eines Produkts) nutzen ihre gestiegene (Markt)Macht, um die Preise ihrer Leistungen anzuheben: Für die Konsumierenden dieser Leistung nimmt die eigene Kaufkraft in Bezug auf diese Leistung ab, während die Anbieter:innen zusätzliche Einkommen lukrieren.

Abhängig von den am jeweiligen Machtkampf beteiligten Gruppen werden verschiedene Arten der Inflation unterschieden. Da Inflation sehr stark von der Erwartungshaltung abhängig ist, treten unterschiedliche Ausprägungen dieses Machtkampfes gerne gemeinsam auf.

 
  • Hochlohn-bzw. nachfragegetriebene Inflation, auch als Lohn-Preis-Spirale bezeichnet, beschreibt einen Machtkampf um Einkommen zwischen unselbstständig Beschäftigten und Unternehmen, welcher von Seite der unselbstständig Beschäftigten ausgeht. Diese Form der Inflation war speziell in den 1950er und 1960er Jahren in den Industrieländern verbreitet. Dies war darauf zurückzuführen, dass die Gewerkschaftsbewegung aufgrund der Vollbeschäftigung in einer starken Machtposition war, welche es ihr ermöglichte, mittels Lohnforderungen über den realen Produktivitätssteigerungen die historisch gewachsene Ungleichverteilung der Einkommen zu attackieren. Als Reaktion begannen die Unternehmen ihre Preise anzuheben, um ihren Profitanteil zu verteidigen und erzeugten so Inflation, was wiederrum höhere Lohnforderungen zur Folge hatte. Ein derartiger Machtkampf ist aufgrund der nachhaltigen Schwächung der arbeitenden Klasse durch den Neoliberalismus heute unmöglich, wird aber nach wie vor gerne von Proponenten der Kapitalseite als warnendes Beispiel hervorgehoben.
  • Profitgetriebene Inflation, auch als Profit-Preis-Spirale bezeichnet, beschreibt ebenfalls einen Machtkampf zwischen unselbstständig Beschäftigten und Unternehmen, dieser geht allerdings von letzteren aus und ist für gewöhnlich eine Folge zunehmender Oligopolisierung, d.h. zunehmender Marktmacht von Unternehmen.
  • Importierte Inflation beschreibt einen Machtkampf zwischen (meist) rohstoffexportierenden Ländern und Industrieländern, wie beispielsweise die Ölpreisschocks der 1970er Jahre.
  • Spekulationsgetriebene Inflation beschreibt einen Machtkampf zwischen Finanz- und Realwirtschaft und war beispielsweise vor der Finanzkrise 2008 zu beobachten.

Zur aktuellen Inflationsdynamik
Die aktuelle Inflationsdynamik in der Eurozone wurde ausgelöst durch eine Kombination aus Lieferkettenproblemen infolge der Coronakrise sowie durch die Einschränkungen der russischen Exporte von fossilen Energieträgern ab Sommer 2021 im Kontext des (2021 bereits geplanten) Einmarsches in die Ukraine. Es handelt sich hier um einen Machtkampf zwischen dem rohstoffexportierenden Russland und den europäischen Industrieländern. Verschlimmert wird diese Situation für uns EuropäerInnen vom neoliberalen Preissetzungsmechanismus auf den Strommärkten (der sog. Merit Order), wonach sämtliche Stromformen denselben (Grenzkosten)Preis bekommen, der vom teuersten Produkt, in unserem Fall Erdgas, festgelegt wird. Dies hat zur Folge, dass die österreichische Bevölkerung für Strom aus, mittels unserer Steuergelder in der Vergangenheit gebauter, Wasserkraftwerken, Gasstrompreise zahlen muss.

Diese importierte Inflation wurde sofort durch eine spekulationsgetriebene Inflation ergänzt. Der Neoliberalismus führt zu einer permanent zunehmenden Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen. Diese zusätzlichen Einkommen der Elite können von dieser unmöglich verkonsumiert und daher nur gespart werden, was zu überliquiden Finanzmärkten führt. Die Finanzmärkte sehen in den gestiegenen Rohstoffpreisen zusätzliches Profitpotenzial. Weiter angetrieben wurde diese Dynamik durch die aufkommenden Konjunkturunsicherheiten, welche die Spekulierenden dazu motiviert, ihr Portfolio um u.a. Rohstoffe zu erweitern.

Diese einmal entfachte Inflationserwartung erlaubt es nun den großen Unternehmen, ihr in den vergangenen Jahren (durch Fusionen etc.) aufgebautes, zusätzliches Marktmachtpotenzial unauffällig über Preisanhebungen in zusätzliche Profite umzumünzen, was die Inflationsdynamik durch eine profitgetriebene Inflation ergänzt. Die österreichischen Unternehmen melden derzeit Rekordprofite.

Möglichkeiten der EZB zur Inflationsbekämpfung
Zentralbanken können nur gegen zwei der dargestellten Inflationsformen effektiv vorgehen: gegen nachfrage- und gegen spekulationsgetriebene Inflation. Dies geschieht, indem sie durch Zinssteigerungen die Nachfrage reduzieren sowie die Refinanzierungsbedingungen für fremdkapitalfinanzierte Spekulation verteuern. In der aktuellen Situation sind derartige Maßnahmen allerdings kontraproduktiv da die steigende Zinsbelastung die Belastungen für Haushalte und Unternehmen weiter nach oben treiben, ohne dass die Inflationsdynamik nachhaltig gestört werden würde. Putin wird sich durch derartige Zinsmanöver kaum beeindrucken lassen. Erwartet man von der EZB eine rücksichtslose Bekämpfung der Inflation, gelänge ihr dies nur durch ein enormes Anheben des Zinssatzes, was zu einem kompletten Abwürgen der europäischen Konjunktur und zu beängstigenden Arbeitslosenquoten führen würde.

Was tun?
Importierte Inflation ist kurzfristig nicht bekämpfbar, aber neben der sowieso notwendigen Umstellung des europäischen Strommarktes auf erneuerbare Energieformen und Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung bietet es sich an, das neoliberale Preissetzungsmodell auf den europäischen Strommärkten durch ein reguliertes Pay-as-bid System zu ersetzen.

Spekulative Inflation in den Griff zu bekommen ist in unserem reichenfreundlichen Gesellschaftssystem ebenfalls fast unmöglich. Finanzmarktregulierung und Vermögenssteuern für große Vermögen wären hier mittelfristig zielführend. Weshalb Individuen über (zumeist geerbtes) Milliardenvermögen verfügen dürfen, während den Staaten gleichzeitig die Mittel fehlen, um tatsächlich effektiv gegen den Klimawandel vorzugehen, hat mir noch niemand schlüssig erklärt.

Zur Reduzierung der profitgetriebenen Inflation müssen Preiskommissionen wie nach der Einführung des Euros in Österreich gebildet werden, wie die Kolleginnen Schuberth und Pfister im Standard vom 9. September klar nachvollziehbar ausführen.

Fazit
Höhere stabile Inflationsraten sind für die arbeitende Bevölkerung kein Problem, solange ihre Realeinkommen nicht beeinträchtigt werden, sie profitiert dann sogar von der realen Entwertung von Staats- und Privatschulden. Was bedeutet das? Die Inflationsraten müssen in den Kollektivvertragsverhandlungen vollständig abgegolten werden! Davon profitieren auch alle kleinen Unternehmen, da dies der einzige Weg ist, wie die Kaufkraft ihrer Klientel erhalten bleibt. Da
mit dies möglich ist, braucht es starke Gewerkschaften. Wer noch immer nicht Gewerkschaftsmitglied ist, möge diesen Fehler schleunigst beheben, ansonsten steht am Ende des Tages wieder einmal die arbeitende Bevölkerung als Verliererin dieses Machtkampfes da.
   
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P.S.: Dieser Artikel kann sehr gerne für jegliche gewünsche Veröffentlichung verwendet werden, seien es Betriebsratszeitungen, Bezirksblätter, Newsletter ... usw. Fotos von mir sind in dem Reiter auf der linken Seite unter dem Punkt "Pressefotos" zu finden, falls gewünscht.